Pressespiegel
Freies Radio Wüste Welle Tübingen, 14. Februar 2022
„Gôge, Raupe und Froschabschlecker": Schwäbisch mit Wolfgang Wulz
Sindelfinger Zeitung, 23. Oktober 2021
Dr Sell über den Sebastian-Blau-Ehrenpreisträger Uli Keuler
Sindelfinger Zeitung, 22. März 2021
Man muss dem SWR seine Verantwortung ins Stammbuch schreiben
Interview mit Pius Jauch und Wolfgang Wulz
regioTV, 14. Oktober 2019
Dr. Wolfgang Wulz, Schwäbische Mundart – Stadtgespräch Böblingen
Gäubote, 2. August 2019
Schwäbisch in der Kita
Gäubote, 7. September 2019
"Patriotismus in der besten Form"
Wolfgang Wulz mit der Heimatmedaille Baden-Württemberg ausgezeichnet
Dinkelacker BIERBLOG 8. Juli 2019
Ein Prosit auf den Dialekt
Böblinger Kreiszeitung, 2. Juli 2019
Dialekt-Lesespaß für Fortgeschrittene
Sindelfinger/Böblinger Zeitung, 1. Juni 2019
Debatte auf Schwabisch: "Des isch a Sach"
Gäubote, 10. April 2019
Aus nichts als Leidenschaft gedichtet
Stuttgarter Zeitung, 2. April 2019
Familie Biber schwätzt Schwäbisch
Sindelfinger Zeitung, 31. März 2018
Zwei, die zusammen der Eine sind
Waiblinger Kreiszeitung, 8. März 2018
Er lässt das Schwäbische wieder aufleben
Tübinger Tagblatt, 8. Mai 2017
„Z’ schad om dui guate Floaschbriah“
Der Mundartforscher Wolfgang Wulz erzählte, wie die Breitenholzer zu ihrem Spitznamen „Froscha’schlecker“ kamen.
Im Volksmund werden die Degerlocher „Hommeleshenker“ genannt, die Herrenberger „Pflasterstoascheißer“ und die Ehninger „Edabruater“. Die amüsanten, teils skurrilen Geschichten hinter diesen Ortsspitznamen erzählte Wolfgang Wulz am Samstagabend im evangelischen Gemeindehaus in Breitenholz. Der promovierte Historiker, Studiendirektor im Ruhestand und Vorsitzende des Vereins „Schwäbische mund.art“ hat zu diesem Thema mehrere Bücher geschrieben.
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Im Volksmund werden die Degerlocher „Hommeleshenker“ genannt, die Herrenberger „Pflasterstoascheißer“ und die Ehninger „Edabruater“. Die amüsanten, teils skurrilen Geschichten hinter diesen Ortsspitznamen erzählte Wolfgang Wulz am Samstagabend im evangelischen Gemeindehaus in Breitenholz. Der promovierte Historiker, Studiendirektor im Ruhestand und Vorsitzende des Vereins „Schwäbische mund.art“ hat zu diesem Thema mehrere Bücher geschrieben.
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Backnanger Kreiszeitung, 24.9.2016
Locker zu lesen, aufwendig recherchiert
Neuerscheinung: Wolfgang Wulz legt seine Sammlung schwäbischer Neckereien rund um Backnang als Buch vor
Seit 21. Oktober vergangenen Jahres, also fast ein Jahr lang, ist in der Backnanger Kreiszeitung die Necknamen-Serie erschienen. Jetzt gibt es die insgesamt 23 Folgen als Buch. Es sei „eine Art Heimatbuch“, sagt Autor Dr. Wolfgang Wulz: In humorvolle Begebenheiten verpackt gibt es Einblick in Sozial- und Kulturgeschichte der Gegend.
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Gäubote, 16.1.2016
"An Dag en dr Schul" mit dem "Knöpfleswäscher"
Heim(at)werker: Der Gültsteiner Wolfgang Wulz ermutigt Schüler, in der Muttersprache zu sprechen
Von Rüdiger Schwarz
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Locker zu lesen, aufwendig recherchiert
Neuerscheinung: Wolfgang Wulz legt seine Sammlung schwäbischer Neckereien rund um Backnang als Buch vor
Seit 21. Oktober vergangenen Jahres, also fast ein Jahr lang, ist in der Backnanger Kreiszeitung die Necknamen-Serie erschienen. Jetzt gibt es die insgesamt 23 Folgen als Buch. Es sei „eine Art Heimatbuch“, sagt Autor Dr. Wolfgang Wulz: In humorvolle Begebenheiten verpackt gibt es Einblick in Sozial- und Kulturgeschichte der Gegend.
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Gäubote, 16.1.2016
"An Dag en dr Schul" mit dem "Knöpfleswäscher"
Heim(at)werker: Der Gültsteiner Wolfgang Wulz ermutigt Schüler, in der Muttersprache zu sprechen
Von Rüdiger Schwarz
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Böblinger Kreiszeitung, 14.12.2015
"Der Dialekt ist doch ein Stück Kulturerbe"
Siegfried Dannecker interviewt Wolfgang Wulz
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Gäubote, 14.11.2015
Von Thomas Morawitzky
Die arme Sau stirbt
Wer kennt die Ursprünge schwäbischer Neckereien besser als der Gültsteiner Wolfgang Wulz? Den possierlichen Bosheiten des Volksmunds spürt Wulz in vielen Büchern nach - wenn er aus ihnen vorliest, dann ist das immer amüsant. Am Donnerstagnachmittag in Hildrizhausen war das einmal mehr der Fall. Wolfgang Wulz ist Mitbegründer des Arbeitskreises Mundart und Schule, Vorsitzender des Vereins Schwäbische Mundart e.V. - dem Gültsteiner liegt der Volksmund am Herzen, dass er sich nicht damit begnügen will, ihn zu erklären, dass er ihn zum Leben erwecken will, ist keine Überraschung.
Eingeladen wurde er am Donnerstag vom Seniorenarbeitskreis Hildrizhausens, Ort seines Auftritt war der Bürgersaal im hohen Stockwerk des Alten Forsthauses. Bürgermeister Matthias Schöck kam, um dem Erforscher der übel gewitzten Nachrede persönlich zu lauschen, der Saal war voller Senioren, Nusszopf stand an diesem vergnüglichen Nachmittag auf allen Tischen, und manch einem Zuhörer fielen unter Wolfgang Wulz Vortrag prompt etliche eigenerlebte oder gehörte Histörchen ein.
Jede Gemeinde untersucht
Wulz schrieb diverse Bücher über das Necknamenwesen, folgte bei seinem Hobby dem Drang des Historikers zum Systematischen und bemühte sich, jede Gemeinde des Landkreises unter die Lupe zu nehmen. Nun sind seine Entdeckungen im Böblinger Umfeld erstmals in einem Band erschienen - "Bäre, Beerleskloper und Bachscheißer" ist sein Titel, das Autokennzeichen des Kreises steckt im Initial. Wulz selbst jedoch stammt gar nicht aus diesem Kreis - er ist gebürtiger Heidenheimer, und weshalb die Heidenheimer als Knöpfleswäscher verrufen sind, das er klärt er ganz zuerst, eine Kostprobe der sehr breiten ostälblerischen Mundart gibt es dazu. Dann aber geht es nach Aidlingen. Zum Beispiel. Dort wurde vor langer Zeit amtlich verboten, den Bach, der durchs Dorf fließt, zu "bescheißen" - und zwar während der Zeit des Mostens. Wofür es gute Gründe gegeben haben mag, seinerzeit. Längst jedoch besitzt Aidlingen, Wolfgang Wulz lässt es nicht unerwähnt, ein Kanalsystem, das den Erlass heute ganz überflüssig macht. Der Name ist geblieben: Den Spott der Nachbarn vergisst man nicht leicht.
Die Pulver verwechselt
Aber das ist ja überall so, im Schwabenland. Auch in Hildrizhausen. Die Hau-
semer heißen landum - das weiß Wolfgang Wulz, das wissen sie auch selbst - Stompeschießer. Das kommt daher, dass einer dieser Hausemer nach Herrenberg geschickt wurde, um zwei Pulver zu holen - ein Schwarzpulver, um einen Baumstumpf, "Stompen", zu sprengen, ein Saupulver, um das Bauchweh der Sau eines Bauern zu kurieren. Der Hausemer in Herrenberg kehrte laut der Erzählung des Gültsteiners außerdem in der Traube ein, kam sehr selig heim und verwechselte die Pulver miteinander. Die arme Sau, gestopft mit Schwarzpulver, verstarb, die Baumstumpf wollte nicht hochgehen. Wolfgang Wulz mutmaßt, das die Hildrizhausener heute noch schmunzeln müssen, wenn sie im Schönbuch wandern gehen - dort gibt es seither einen "Saupulverweg".
In viele Rollen geschlüpft
Bei Wulz verschmelzen Kundigkeit und Mundartkabarett, und im Bürgersaal des Alten Forsthauses bekommen die Hau-
semer deshalb immer wieder Sketche zu hören, bei denen der Necknamenforscher in viele Rollen schlüpft - und einige kleine Geschichten aus Wulz Feder außerdem: Blechmarken kommen in ihnen vor, die ertrunkene Marinesoldaten nach Hause bringen, "kadolische Mädle, die so gut sind wie "effangelische Frichtle" auch.
Backnanger Kreiszeitung 29.10.2015
Von Annette Hohnerlein
Von Annette Hohnerlein
14 Wörter im Ländle für die Kartoffel
Projekt Necknamen: Schwäbische Deutschstunde an der Mörikeschule mit dem Mundartexperten Wolfgang Wulz
„Hallo, ihr Lohkäs-Träppler, heut isch mol a Schwäbisch-Stond.“ Mit diesen Worten grüßte Wolfgang Wulz die Viertklässler in der Mörikeschule. Er vermittelte Wissenswertes und Witziges rund um die schwäbische Mundart und stellte klar: „Wer neben Hochdeutsch auch Schwäbisch kann, hat einen Vorteil.“
BACKNANG. Es war eine besondere Deutschstunde. Eine, in der Schimpfwörter fielen, in der im allerbreitesten Schwäbisch geredet wurde und in der es keine Rechtschreibung gab, weil man schwäbische Wörter so schreibt, wie man sie hört. Lehrerin Heike Butsch, die als Mitglied im Verein „schwäbische mund.art e.V.“ die Veranstaltung organisiert hatte, stellte den Gast vor: „Dr. Wulz ist kein Doktor für Husten und Schnupfen, sondern ein Doktor, der schreibt und forscht.“
Auf die Frage des Gastes, wer Schwäbisch als Muttersprache habe, meldete sich rund ein Drittel der 64 Kinder. Es folgte ein Schwäbisch-Test. Wulz beschrieb den Ablauf eines Schultags anhand von Verben, die an die Wand projiziert und von den Schülern laut vorgelesen wurden: naigsaud, nuffgloffe, neighoggt, aigschlofe, gveschberd, weiderdriald, gweggd worde, nix gwissd, verseggeld worde, nix draus gmachd, eipaggd, hoimgange. Das war den Schülern vertraut, es gab nur wenige Wissenslücken.
Mit seinem markanten Vortragsstil, gepaart mit teils deftigem – eben schwäbischem – Humor gelang es Wulz, die Kinder zu fesseln und zum Mitmachen zu animieren. Anhand einer Karte zeigte er die Verbreitung der drei Dialekte Schwäbisch, Alemannisch und Fränkisch in Baden-Württemberg. „Oft ist es so, dass im Nachbardorf schon ein bissle anders gschwätzt wird.“ Wie weit diese Vielfalt geht, demonstrierte er am Beispiel der Kartoffel. 14 verschiedene Bezeichnungen für die Knolle gibt es in Baden-Württemberg.
Hatte Wulz bisher noch quasi mit angezogener Handbremse geschwäbelt, legte er jetzt mit dem breiten Idiom seiner Geburtsstadt Heidenheim richtig los. Er erzählte den Kindern die Geschichte, der die Heidenheimer ihren Necknamen Knöpfleswäscher verdanken. Bei seinen Nachfragen, ob die Kinder alles verstanden hätten, erwies sich ein Schüler, Clemens, als besonders versiert im Schwäbischen. „Ich glaub, du bist hier der Oberschwab“, lobte Wulz. Anschaulich und amüsant erzählt er auch, wie es zum Backnanger Necknamen Lohkäs-Träppler kam, der aufgrund eines Arbeitsganges der Lederindustrie entstanden ist („da hat’s in Backnang gschtunke wie d’ Sau“). Er erklärt auch den zweiten Namen der Backnanger (Schwoba, von der Küchenschabe, auch Schwabenkäfer genannt), den der Steinbacher (Hobagrezr), Althütter (Rechaspitzer) und Ebersberger (Kreuzköpf).
Zu allen Begriffen zeigte Wulz Karikaturen seines Mitstreiters in Sachen Mundart, Karlheinz Haaf. Er las eine selbst recherchierte und verfasste Geschichte über das Zustandekommen des Waiblinger Necknamens Zirkusgaigler vor, der auf die Mutprobe eines Schmieds zurückgeht, der mit dem Zirkus-Dompteur im Löwenkäfig Gaigel spielte.
Wulz ist promovierter Historiker und Germanist und unterrichtete bis 2012 Deutsch und Geschichte an Gymnasien. Er ist Vorsitzender des Vereins „schwäbische mund.art e.V.“ und Mitbegründer des Arbeitskreises Mundart in der Schule, in dem sich Autoren, Musiker, Forscher, Schauspieler, Puppenspieler, Märchenerzähler und Zauberer zusammengefunden haben. Diese kommen auf Wunsch in Schulen, um Kindern aller Altersstufen die baden-württembergischen Dialekte näherzubringen.
Am Ende der Doppelstunde lobte Wolfgang Wulz die Schüler für ihre Aufmerksamkeit, und seine Kollegin Heike Butsch bestätigte: „’s hat koiner romtriald.“
Projekt Necknamen: Schwäbische Deutschstunde an der Mörikeschule mit dem Mundartexperten Wolfgang Wulz
„Hallo, ihr Lohkäs-Träppler, heut isch mol a Schwäbisch-Stond.“ Mit diesen Worten grüßte Wolfgang Wulz die Viertklässler in der Mörikeschule. Er vermittelte Wissenswertes und Witziges rund um die schwäbische Mundart und stellte klar: „Wer neben Hochdeutsch auch Schwäbisch kann, hat einen Vorteil.“
BACKNANG. Es war eine besondere Deutschstunde. Eine, in der Schimpfwörter fielen, in der im allerbreitesten Schwäbisch geredet wurde und in der es keine Rechtschreibung gab, weil man schwäbische Wörter so schreibt, wie man sie hört. Lehrerin Heike Butsch, die als Mitglied im Verein „schwäbische mund.art e.V.“ die Veranstaltung organisiert hatte, stellte den Gast vor: „Dr. Wulz ist kein Doktor für Husten und Schnupfen, sondern ein Doktor, der schreibt und forscht.“
Auf die Frage des Gastes, wer Schwäbisch als Muttersprache habe, meldete sich rund ein Drittel der 64 Kinder. Es folgte ein Schwäbisch-Test. Wulz beschrieb den Ablauf eines Schultags anhand von Verben, die an die Wand projiziert und von den Schülern laut vorgelesen wurden: naigsaud, nuffgloffe, neighoggt, aigschlofe, gveschberd, weiderdriald, gweggd worde, nix gwissd, verseggeld worde, nix draus gmachd, eipaggd, hoimgange. Das war den Schülern vertraut, es gab nur wenige Wissenslücken.
Mit seinem markanten Vortragsstil, gepaart mit teils deftigem – eben schwäbischem – Humor gelang es Wulz, die Kinder zu fesseln und zum Mitmachen zu animieren. Anhand einer Karte zeigte er die Verbreitung der drei Dialekte Schwäbisch, Alemannisch und Fränkisch in Baden-Württemberg. „Oft ist es so, dass im Nachbardorf schon ein bissle anders gschwätzt wird.“ Wie weit diese Vielfalt geht, demonstrierte er am Beispiel der Kartoffel. 14 verschiedene Bezeichnungen für die Knolle gibt es in Baden-Württemberg.
Hatte Wulz bisher noch quasi mit angezogener Handbremse geschwäbelt, legte er jetzt mit dem breiten Idiom seiner Geburtsstadt Heidenheim richtig los. Er erzählte den Kindern die Geschichte, der die Heidenheimer ihren Necknamen Knöpfleswäscher verdanken. Bei seinen Nachfragen, ob die Kinder alles verstanden hätten, erwies sich ein Schüler, Clemens, als besonders versiert im Schwäbischen. „Ich glaub, du bist hier der Oberschwab“, lobte Wulz. Anschaulich und amüsant erzählt er auch, wie es zum Backnanger Necknamen Lohkäs-Träppler kam, der aufgrund eines Arbeitsganges der Lederindustrie entstanden ist („da hat’s in Backnang gschtunke wie d’ Sau“). Er erklärt auch den zweiten Namen der Backnanger (Schwoba, von der Küchenschabe, auch Schwabenkäfer genannt), den der Steinbacher (Hobagrezr), Althütter (Rechaspitzer) und Ebersberger (Kreuzköpf).
Zu allen Begriffen zeigte Wulz Karikaturen seines Mitstreiters in Sachen Mundart, Karlheinz Haaf. Er las eine selbst recherchierte und verfasste Geschichte über das Zustandekommen des Waiblinger Necknamens Zirkusgaigler vor, der auf die Mutprobe eines Schmieds zurückgeht, der mit dem Zirkus-Dompteur im Löwenkäfig Gaigel spielte.
Wulz ist promovierter Historiker und Germanist und unterrichtete bis 2012 Deutsch und Geschichte an Gymnasien. Er ist Vorsitzender des Vereins „schwäbische mund.art e.V.“ und Mitbegründer des Arbeitskreises Mundart in der Schule, in dem sich Autoren, Musiker, Forscher, Schauspieler, Puppenspieler, Märchenerzähler und Zauberer zusammengefunden haben. Diese kommen auf Wunsch in Schulen, um Kindern aller Altersstufen die baden-württembergischen Dialekte näherzubringen.
Am Ende der Doppelstunde lobte Wolfgang Wulz die Schüler für ihre Aufmerksamkeit, und seine Kollegin Heike Butsch bestätigte: „’s hat koiner romtriald.“
Gäubote Herrenberg, 15.10.2015
Von Rüdiger Schwarz
Auf den Spuren der schwäbischen Neck-Kultur
"Bachscheißer", "Pflastersteinscheißer" oder "Kälblesschlecker": Das hört sich nicht gerade nach "Knigge-Benimm" und zimperlichen Manieren an. Nun begibt man sich mit solchen Necknamen auf eine historische Zeitreise. In Schwaben ist etwas gewachsen, das in der Ethnologie als "Jocking relationsship" bezeichnet wird. Der Gültsteiner Wolfgang Wulz setzt sich seit vielen Jahren auf die Fährte von allerlei Spötteleien und Neckereien.
Schlüsselerlebnis? Exotisches Steckenpferd? Eigentümliche Marotte? Weder noch! Wolfgang Wulz, als gebürtiger Heidenheimer ein sogenannter "Knöpfleswäscher", ist die Leidenschaft fürs Schwäbische in die Wiege gelegt worden. "Ich habe das Handwerk für die Heimatgeschichte von meinem Vater geerbt", merkt der ehemalige Studiendirektor für Deutsch und Geschichte am Sindelfinger Goldberg-Gymnasium an - nicht ohne ein leises Augenzwinkern und schelmisches Grinsen. Vom Vater hat er sich das Talent zum poetischen Fabulieren und journalistischen Schreiben abgeschaut. Der Volksschullehrer und Rektor hat seine Finger bei einer heimatgeschichtlichen Beilage für die Heidenheimer Neue Presse mit im Spiel. Und Wolfgang Wulz ist bereits als kleiner Steppke hautnah mit dabei, wenn der Vater zu lokalen Recherchen über die Dörfer zieht. "Er hat mir dann die Spitznamengeschichten erzählt", erinnert sich der promovierte Historiker und Germanist. Klar, dass das Herz so eines Knirpses höherschlägt, sobald da deftige und derbe Ausdrücke über die Lippen des Vaters rollen, die ansonsten nicht zum Umgangston in einer honorigen Lehrerfamilie gehören.
Vom "Virus" infiziert, lässt er den 1950 Geborenen nicht mehr los. Noch Referendar am Herrenberger Andreae-Gymnasium, schreibt er eine Geschichte zu den Breitenholzer "Froschabschlecker" nieder, leckt Blut, und so kommt das Zeitungsjubiläum des "Gäubote" Ende der 1980er Jahre gerade zur rechten Zeit. Wulz steuert eine kleine Serie zu den hiesigen Ortsnecknamen bei. Ein erstes Buch entsteht über Leute, die rund um Herrenberg und Wildberg recht merkwürdig anmutende Dinge tun - etwa Wanzen braten oder Eier ausbrüten. Weitere skurril und bizarr daherkommende Begebenheiten folgen. Die sind keine Eingeborenenspezialität des Heckengäus. Denn auch bei Böblingen, rund um Sindelfingen und Leoberg werden Bäche "bescheißt" und wird auf Käse geritten. Selbst in der Stuttgarter Gegend scheint es possenhaft zuzugehen. Da werden Birnenschnitz zu Grabe getragen oder Spatzen bemalt. Auf Band drei der Ortsnecknamen lässt der Mitbegründer des AK "Mundart in der Schule" noch zwei weitere Bände folgen. Dieses Kompendium ist aber schon seit Jahren vergriffen, wie auch ein 2007 unter dem Motto "Was sich neckt, das liebt sich" erschienenes "Best of" - der Leser hielte mit diesem Buch eine einzigartige Schatzkiste in den Händen.
Die schwankartigen Anekdoten sind mitten aus dem Alltagsleben gegriffen, daneben taucht man in eine Sozial- und Mentalitätsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ein und erfährt, was in den Ortschroniken "hälenga" im hinteren Teil versteckt wird, etwa Dorffehden und Streitereien. Doch die wichtigste Quelle ist die mündliche Überlieferung. Dank "Markterzählern" wandern die Spott- und Scherzgeschichten von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Auch Wulz wird hier und da fündig: "Als 35-Jähriger habe ich mit einem über 80 Jahre alten Gültsteiner über deren Necknamen gesprochen. So bin ich an einen kleinen Goldschatz gekommen, den heute niemand mehr wissen würde."
Geneckt wird seit 300 bis 400 Jahren. Schwaben und Bayern hänseln sich reichlich tierisch, doch allzu menschlich. So kriegen die Schwaben die Frösche ab, während die Bayern zu Säuen mutieren. "Man sagte den Schwaben nach, sie würden sich wie Frösche verhalten, bisschen feige sein, aber laut schreien", schmunzelt Wulz. So richtig los mit der Fopperei und Stichelei geht es Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit bleibt kaum ein Fleck auf der schwäbischen Landkarte unbeleckt von der Lust am Frotzeln und Verhohnepiepeln. "Schwaben ist die einzige Region, in der es nahezu flächendeckend kollektive Spitznamen gibt. Dagegen bezieht sich die Neckkultur in Portugal und Spanien mehr auf einzelne Individuen", erklärt der Autor. Nach dem Zweiten Weltkrieg bricht die Tradition urplötzlich ab. Jetzt geht es ans Sammeln und Forschen. Der Freiburger Germanist Hugo Moser wird zum Vorreiter, habilitiert 1950 mit einer volkskundlichen Monografie zu schwäbischen Necknamen. Ein bahnbrechendes und bis heute gültiges Standardwerk, dem auch Wolfgang Wulz viele Erkenntnisse und Geistesblitze verdankt.
In den druckfrisch auf den Markt gebrachten Geschichten zu den schwäbischen Neckereien aus dem Kreis Böblingen vermischt sich Heimatgeschichte mit literarischer Poesie, Volkskunde mit Fiktion. Sie erzählen von Arm und Reich, Neid und Zorn, schwäbischer Alltagsphilosophie, leiblichen Genüssen und Misslichkeiten, Schadenfreude und Sehnsüchten, Zwist und Versöhnung, Tratsch- und Klatschsucht, dem einen oder anderen Schildbürgerstreich, so manchen am Stammtisch ausgeheckten Till Eulenspiegeleien und Münchhausiaden. Zugleich bewahren die kleinen Erzählungen eine untergegangene Welt vor dem endgültigen Verschwinden. Ob das Nationalgericht der Deckenpfronner, der "Haberbrei", die Vorliebe der Bondorfer für ihre "Beerte", einen schlichten, doch schmackhaften Kuchen, der Stolz der Öschelbronner, ihre kräftige, gelbrote bis rotscheckige Rinderrasse oder die Zubereitung des einst weit und breit genossenen Haslacher Most: Das ist Lebenswelt satt. Doch liebt sich wirklich, was sich neckt? "Lieber gscheit geneckt als übersehen werden", schmunzelt Wulz.
Von Rüdiger Schwarz
Auf den Spuren der schwäbischen Neck-Kultur
"Bachscheißer", "Pflastersteinscheißer" oder "Kälblesschlecker": Das hört sich nicht gerade nach "Knigge-Benimm" und zimperlichen Manieren an. Nun begibt man sich mit solchen Necknamen auf eine historische Zeitreise. In Schwaben ist etwas gewachsen, das in der Ethnologie als "Jocking relationsship" bezeichnet wird. Der Gültsteiner Wolfgang Wulz setzt sich seit vielen Jahren auf die Fährte von allerlei Spötteleien und Neckereien.
Schlüsselerlebnis? Exotisches Steckenpferd? Eigentümliche Marotte? Weder noch! Wolfgang Wulz, als gebürtiger Heidenheimer ein sogenannter "Knöpfleswäscher", ist die Leidenschaft fürs Schwäbische in die Wiege gelegt worden. "Ich habe das Handwerk für die Heimatgeschichte von meinem Vater geerbt", merkt der ehemalige Studiendirektor für Deutsch und Geschichte am Sindelfinger Goldberg-Gymnasium an - nicht ohne ein leises Augenzwinkern und schelmisches Grinsen. Vom Vater hat er sich das Talent zum poetischen Fabulieren und journalistischen Schreiben abgeschaut. Der Volksschullehrer und Rektor hat seine Finger bei einer heimatgeschichtlichen Beilage für die Heidenheimer Neue Presse mit im Spiel. Und Wolfgang Wulz ist bereits als kleiner Steppke hautnah mit dabei, wenn der Vater zu lokalen Recherchen über die Dörfer zieht. "Er hat mir dann die Spitznamengeschichten erzählt", erinnert sich der promovierte Historiker und Germanist. Klar, dass das Herz so eines Knirpses höherschlägt, sobald da deftige und derbe Ausdrücke über die Lippen des Vaters rollen, die ansonsten nicht zum Umgangston in einer honorigen Lehrerfamilie gehören.
Vom "Virus" infiziert, lässt er den 1950 Geborenen nicht mehr los. Noch Referendar am Herrenberger Andreae-Gymnasium, schreibt er eine Geschichte zu den Breitenholzer "Froschabschlecker" nieder, leckt Blut, und so kommt das Zeitungsjubiläum des "Gäubote" Ende der 1980er Jahre gerade zur rechten Zeit. Wulz steuert eine kleine Serie zu den hiesigen Ortsnecknamen bei. Ein erstes Buch entsteht über Leute, die rund um Herrenberg und Wildberg recht merkwürdig anmutende Dinge tun - etwa Wanzen braten oder Eier ausbrüten. Weitere skurril und bizarr daherkommende Begebenheiten folgen. Die sind keine Eingeborenenspezialität des Heckengäus. Denn auch bei Böblingen, rund um Sindelfingen und Leoberg werden Bäche "bescheißt" und wird auf Käse geritten. Selbst in der Stuttgarter Gegend scheint es possenhaft zuzugehen. Da werden Birnenschnitz zu Grabe getragen oder Spatzen bemalt. Auf Band drei der Ortsnecknamen lässt der Mitbegründer des AK "Mundart in der Schule" noch zwei weitere Bände folgen. Dieses Kompendium ist aber schon seit Jahren vergriffen, wie auch ein 2007 unter dem Motto "Was sich neckt, das liebt sich" erschienenes "Best of" - der Leser hielte mit diesem Buch eine einzigartige Schatzkiste in den Händen.
Die schwankartigen Anekdoten sind mitten aus dem Alltagsleben gegriffen, daneben taucht man in eine Sozial- und Mentalitätsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ein und erfährt, was in den Ortschroniken "hälenga" im hinteren Teil versteckt wird, etwa Dorffehden und Streitereien. Doch die wichtigste Quelle ist die mündliche Überlieferung. Dank "Markterzählern" wandern die Spott- und Scherzgeschichten von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Auch Wulz wird hier und da fündig: "Als 35-Jähriger habe ich mit einem über 80 Jahre alten Gültsteiner über deren Necknamen gesprochen. So bin ich an einen kleinen Goldschatz gekommen, den heute niemand mehr wissen würde."
Geneckt wird seit 300 bis 400 Jahren. Schwaben und Bayern hänseln sich reichlich tierisch, doch allzu menschlich. So kriegen die Schwaben die Frösche ab, während die Bayern zu Säuen mutieren. "Man sagte den Schwaben nach, sie würden sich wie Frösche verhalten, bisschen feige sein, aber laut schreien", schmunzelt Wulz. So richtig los mit der Fopperei und Stichelei geht es Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit bleibt kaum ein Fleck auf der schwäbischen Landkarte unbeleckt von der Lust am Frotzeln und Verhohnepiepeln. "Schwaben ist die einzige Region, in der es nahezu flächendeckend kollektive Spitznamen gibt. Dagegen bezieht sich die Neckkultur in Portugal und Spanien mehr auf einzelne Individuen", erklärt der Autor. Nach dem Zweiten Weltkrieg bricht die Tradition urplötzlich ab. Jetzt geht es ans Sammeln und Forschen. Der Freiburger Germanist Hugo Moser wird zum Vorreiter, habilitiert 1950 mit einer volkskundlichen Monografie zu schwäbischen Necknamen. Ein bahnbrechendes und bis heute gültiges Standardwerk, dem auch Wolfgang Wulz viele Erkenntnisse und Geistesblitze verdankt.
In den druckfrisch auf den Markt gebrachten Geschichten zu den schwäbischen Neckereien aus dem Kreis Böblingen vermischt sich Heimatgeschichte mit literarischer Poesie, Volkskunde mit Fiktion. Sie erzählen von Arm und Reich, Neid und Zorn, schwäbischer Alltagsphilosophie, leiblichen Genüssen und Misslichkeiten, Schadenfreude und Sehnsüchten, Zwist und Versöhnung, Tratsch- und Klatschsucht, dem einen oder anderen Schildbürgerstreich, so manchen am Stammtisch ausgeheckten Till Eulenspiegeleien und Münchhausiaden. Zugleich bewahren die kleinen Erzählungen eine untergegangene Welt vor dem endgültigen Verschwinden. Ob das Nationalgericht der Deckenpfronner, der "Haberbrei", die Vorliebe der Bondorfer für ihre "Beerte", einen schlichten, doch schmackhaften Kuchen, der Stolz der Öschelbronner, ihre kräftige, gelbrote bis rotscheckige Rinderrasse oder die Zubereitung des einst weit und breit genossenen Haslacher Most: Das ist Lebenswelt satt. Doch liebt sich wirklich, was sich neckt? "Lieber gscheit geneckt als übersehen werden", schmunzelt Wulz.
Stuttgarter Nachrichten, 15.12.2014
„Traut euch, Dialekt zu schwätzen“
Von Jan Sellner
Herr Wulz, Sie werben für Mundart in der Schule. Warum sollten Schüler Schwäbisch lernen?
Wir wollen niemanden zum Schwäbisch- Schwätzen zwingen. Man sollte es jedoch tolerieren, wenn Muttersprachler Dialekt sprechen. Jeder soll seine Muttersprache ehren und pflegen – ob das jetzt Schwäbisch, Fränkisch oder Türkisch ist. Es ist wichtig, sie als wertvolles Kulturgut zu erkennen. Bei schönen Fachwerkhäusern sieht jeder ein, dass es sich lohnt, sie zu bewahren. So ist das auch bei der Mundart. Ihre Serie „Auf gut Schwäbisch“ trägt übrigens viel dazu bei.
Wie viele Schüler sprechen denn noch Schwäbisch?
Ich hab’ am Goldberg-Gymnasium in Sindelfingen Deutsch und Geschichte unterrichtet. In solchen hoch industrialisierten Gegenden findet man nur noch wenige Dialektsprecher – höchstens vier bis fünf Kinder pro Klasse. Denen habe ich im Unterricht allerdings immer gesagt: Traut euch, Dialekt zu schwätzen. Manche tun das sogar von alleine. Ich erinnere mich an ein Mädchen, das regelmäßig Einser-Aufsätze auf Hochdeutsch schrieb, ansonsten aber sagte: „I schwätz, wie mir’s Maul gwachsa isch.“ Das finde ich gut. Dialektsprecher sollten sich dafür nicht schämen müssen.
Wie war das bei Ihnen selbst?
Als Studenten in Tübingen haben wir uns für das Schwäbische geschämt. Dann haben wir Thaddäus Troll gelesen: „Deutschland Deine Schwaben“. Das hat Leute wie Gerhard Raff und mich ermutigt, uns zum Dialekt zu bekennen. Das war letztlich auch der Ausgangspunkt für unsere Aktivitäten.
. . . wie den Arbeitskreis Mundart in der Schule. Wie kam’s dazu?
Treibende Kraft waren die Mundartkünstler Hanno Kluge und Wulf Wager. Sie sprachen mich 2003 darauf an. Daraus entstand die Idee, Mundart-Autoren, -Sänger und -Kabarettisten für jeweils eine Doppelstunde an die Schulen zu holen – vergleichbar dem Friedrich-Bödecker-Kreis, der Autorenlesungen an Schulen organisiert. Jede Schule kann bei uns pro Jahr zwei Doppelstunden bestellen. Wir wollen damit die Mundart insgesamt fördern, also auch das Fränkische und das Alemannische. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Wissenschaftsministerium, vor allem aber vom Förderverein schwäbischer Dialekt in Tübingen.
Wird es auch in Anspruch genommen?
Sehr gut sogar. Angefangen haben wir mit landesweit 35 Veranstaltungen. In diesem Jahr waren es 68 Mundartdoppelstunden im ganzen Land. Bei rund 5000 Schulen ist das zwar ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber die Leute werden aufmerksam.
Was halten die Lehrer davon?
Manche Lehrer müssen wir erst noch gewinnen – besonders an den Gymnasien. Die alte Auffassung, dass in erster Linie die Hochsprache gelernt werden muss, um im Leben etwas zu werden, ist immer noch tief verwurzelt. Natürlich muss man die Hochsprache lernen, aber der Dialekt schadet nicht. Im Gegenteil. Wer seine Muttersprache beherrscht, dem fällt es leichter, andere Sprachen zu lernen. Das hängt mit den Sprachstrukturen zusammen. Das Schwäbische zeichnet sich durch höchst komplizierte grammatikalische Strukturen und eine Begriffsvielfalt aus. Diese Vielfalt trägt dazu bei, dass man die anderen Sprachen schneller lernt.
Kommt der Dialekt bei Schülern an?
Ja, bei den Schülern und bei den Eltern. Vor einiger Zeit war ich in Stuttgart-Rot in einer Klasse mit 80 Prozent Migrantenanteil und habe über Stuttgarter Spitznamen gesprochen. Wir haben eine schwäbische Szene gespielt; ein junger Türke war der Hofener Daudawächter (Totenwächter), der mit dem Spruch auftrat: „So, der lebt nemme!“ Er hatte einen Riesenspaß daran. Als ich nach der Schulstunde das Zimmer verließ, rief mir die Klasse nach: „So, der lebt nemme!“ Da habe ich gedacht: Lernziel erreicht.
Schwarzwälder-Bote, 19.12.2014
Wenn man nix woiß und verseggelt wird
Kreis Rottweil. Zu einer "schwäbischen Doppelstunde" hatte die Grund-, Haupt- und Werkrealschule Zimmern o.R. am Mittwoch den Herrenberger Schriftsteller, Historiker und Mundart-Experten Wolfgang Wulz eingeladen.
Sein Besuch eröffnet eine Reihe von zehn Veranstaltungen des landesweiten Projekts "Mundart in der Schule" im Landkreis Rottweil, die von der Stiftung zur Jugendförderung der Kreissparkasse ermöglicht werden.
53 Schüler aus den Klassen 5 bis 9 lauschten den lebhaften Ausführungen des Dialektforschers, der seine Geschichten über Sprache, Land und Leute geschickt mit dem Erfahrungshorizont seiner multikulturellen Zuhörerschaft verband.
Schon der Einstieg mit dem schwäbischen Comicstrip "A Dag en dr Schuel" brach bei den dem Mundartthema zunächst noch etwas skeptisch gegenüberstehenden Kindern und Jugendlichen sogleich das Eis: im Chor rezitierten alle, wie der Comic-Held "naisaut, nahoggt, eischloft, uffgweckt wird, veschbert, weidertrialt, nix woiß, verseggelt wird, sich nix draus macht ond am End wieder hoimgoht". Keine Frage, dass die – nur bei wenigen Wörtern notwendige – Übersetzung ins Hochdeutsche auch Nicht-Schwaben zum Schmunzeln anregte.
Anhand von Kartenmaterial über die verschiedenen Mundarten in Baden-Württemberg, wo neben schwäbisch ja auch alemannisch und fränkisch gesprochen wird, demonstrierte Wolfgang Wulz danach die Vielfalt der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten im Dialekt: allein für die Kartoffel gibt es im Südwesten 15 verschiedene Begriffe.
Abwechslungsreich und unterhaltsam ist im Schwäbischen auch das gegenseitige Necken, für die der Heidenheimer "Knöpfleswäscher", Autor mehrerer Bücher über "Ortnecknamen", berufener Experte ist. Er freute sich besonders, dass einige Schüler sogar noch den Zimmerner Spitznamen "Lattestrecker" kannten, der damit erklärt wird, dass vor Urzeiten einige Altvordere mit Hilfe zweier angespannter Ackergäule eine Holzlatte verlängern wollten, um so den Mond vom Himmel holen zu können.
Mit einer von herzhaftem Gelächter der Klasse begleiteten Spielszene über die "Döffinger Rübemoschter" kam Wulz dann zum weihnachtlichen Teil seines Vortrags. Den frisch gezapften Most hatte der Opa nämlich mit zu vielen Zuckerrüben veredelt, wodurch der Heilige Abend in der sonst braven Familie zu einer Rauschorgie ausartete und die fromme Oma schier zur Verzweiflung trieb.
Bei Kerzenschein ging die schwäbische Stunde mit Theodor Storms "Knecht Ruprecht" im Original und in der schwäbischen Fassung von Edi Graf weiter.
Begleitet vom Bösinger Liedermacher Pius Jauch auf der Gitarre sangen die Schüler aus vollen Kehlen eine Mundartversion von "Morgen Kinder wird’s was geben", zwei schwäbische Muttersprachler wagten sich sogar auf die Bühne und trugen Doris Oswalds Gedicht "Sprengerle ond Zimmetstern" vor.
Mit seiner Geschichte "Das Brenztaler Chrischtkendle" aus dem druckfrischen Buch "Schwäbische Bescherung" verabschiedete sich Wolfgang Wulz aus der fröhlichen Runde der Schüler, die sich diese Zugabe über den Schulgong hinaus per Abstimmung mit großer Mehrheit gewünscht hatte.
Der Arbeitskreis Mundart in der Schule besteht seit 2003. Mit landesweit 68 Veranstaltungen hat das von den Mundartvereinigungen "schwäbische mund.art e.V." und "Muettersproch-Gsellschaft e.V." initiierte Projekt im Jahr 2014 wieder einen neuen Höchststand erzielt. Insgesamt wurden seit Beginn der Aktion in Baden-Württemberg 460 Begegnungen mit rund 9500 Schülern sowie drei Mundartwettbewerbe in den Schulen organisiert.
Damit ist der Arbeitskreis Mundart in der Schule auf einem guten Weg, sein Ziel, die im Land beheimateten Mundarten Alemannisch, Fränkisch und Schwäbisch bei den Schülern als wertvolles Spracherbe und Kulturgut nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und es auch als interessanten Gegenstand von Unterricht und Projekten zu erkennen.
Alle interessierten Lehrer – besonders im Landkreis Rottweil – sind eingeladen, sich im noch laufenden Schuljahr um eine der Begegnungen, die vom AK Mundart in der Schule bezahlt werden, zu bewerben. Die Mineralquelle Silber Brunnen unterstützt die Aktion mit kleinen Geschenken.
Weitere Informationen: www.mundart-in-der-schule.de
Beratung und Information: schule@mund-art.de
Stuttgarter Zeitung, 2.4.2012
Beim Lob "beschde Sau" schimpft die Frau
Von Jan Sellner
Herr Wulz, Sie werben für Mundart in der Schule. Warum sollten Schüler Schwäbisch lernen?
Wir wollen niemanden zum Schwäbisch- Schwätzen zwingen. Man sollte es jedoch tolerieren, wenn Muttersprachler Dialekt sprechen. Jeder soll seine Muttersprache ehren und pflegen – ob das jetzt Schwäbisch, Fränkisch oder Türkisch ist. Es ist wichtig, sie als wertvolles Kulturgut zu erkennen. Bei schönen Fachwerkhäusern sieht jeder ein, dass es sich lohnt, sie zu bewahren. So ist das auch bei der Mundart. Ihre Serie „Auf gut Schwäbisch“ trägt übrigens viel dazu bei.
Wie viele Schüler sprechen denn noch Schwäbisch?
Ich hab’ am Goldberg-Gymnasium in Sindelfingen Deutsch und Geschichte unterrichtet. In solchen hoch industrialisierten Gegenden findet man nur noch wenige Dialektsprecher – höchstens vier bis fünf Kinder pro Klasse. Denen habe ich im Unterricht allerdings immer gesagt: Traut euch, Dialekt zu schwätzen. Manche tun das sogar von alleine. Ich erinnere mich an ein Mädchen, das regelmäßig Einser-Aufsätze auf Hochdeutsch schrieb, ansonsten aber sagte: „I schwätz, wie mir’s Maul gwachsa isch.“ Das finde ich gut. Dialektsprecher sollten sich dafür nicht schämen müssen.
Wie war das bei Ihnen selbst?
Als Studenten in Tübingen haben wir uns für das Schwäbische geschämt. Dann haben wir Thaddäus Troll gelesen: „Deutschland Deine Schwaben“. Das hat Leute wie Gerhard Raff und mich ermutigt, uns zum Dialekt zu bekennen. Das war letztlich auch der Ausgangspunkt für unsere Aktivitäten.
. . . wie den Arbeitskreis Mundart in der Schule. Wie kam’s dazu?
Treibende Kraft waren die Mundartkünstler Hanno Kluge und Wulf Wager. Sie sprachen mich 2003 darauf an. Daraus entstand die Idee, Mundart-Autoren, -Sänger und -Kabarettisten für jeweils eine Doppelstunde an die Schulen zu holen – vergleichbar dem Friedrich-Bödecker-Kreis, der Autorenlesungen an Schulen organisiert. Jede Schule kann bei uns pro Jahr zwei Doppelstunden bestellen. Wir wollen damit die Mundart insgesamt fördern, also auch das Fränkische und das Alemannische. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Wissenschaftsministerium, vor allem aber vom Förderverein schwäbischer Dialekt in Tübingen.
Wird es auch in Anspruch genommen?
Sehr gut sogar. Angefangen haben wir mit landesweit 35 Veranstaltungen. In diesem Jahr waren es 68 Mundartdoppelstunden im ganzen Land. Bei rund 5000 Schulen ist das zwar ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber die Leute werden aufmerksam.
Was halten die Lehrer davon?
Manche Lehrer müssen wir erst noch gewinnen – besonders an den Gymnasien. Die alte Auffassung, dass in erster Linie die Hochsprache gelernt werden muss, um im Leben etwas zu werden, ist immer noch tief verwurzelt. Natürlich muss man die Hochsprache lernen, aber der Dialekt schadet nicht. Im Gegenteil. Wer seine Muttersprache beherrscht, dem fällt es leichter, andere Sprachen zu lernen. Das hängt mit den Sprachstrukturen zusammen. Das Schwäbische zeichnet sich durch höchst komplizierte grammatikalische Strukturen und eine Begriffsvielfalt aus. Diese Vielfalt trägt dazu bei, dass man die anderen Sprachen schneller lernt.
Kommt der Dialekt bei Schülern an?
Ja, bei den Schülern und bei den Eltern. Vor einiger Zeit war ich in Stuttgart-Rot in einer Klasse mit 80 Prozent Migrantenanteil und habe über Stuttgarter Spitznamen gesprochen. Wir haben eine schwäbische Szene gespielt; ein junger Türke war der Hofener Daudawächter (Totenwächter), der mit dem Spruch auftrat: „So, der lebt nemme!“ Er hatte einen Riesenspaß daran. Als ich nach der Schulstunde das Zimmer verließ, rief mir die Klasse nach: „So, der lebt nemme!“ Da habe ich gedacht: Lernziel erreicht.
Schwarzwälder-Bote, 19.12.2014
Wenn man nix woiß und verseggelt wird
Kreis Rottweil. Zu einer "schwäbischen Doppelstunde" hatte die Grund-, Haupt- und Werkrealschule Zimmern o.R. am Mittwoch den Herrenberger Schriftsteller, Historiker und Mundart-Experten Wolfgang Wulz eingeladen.
Sein Besuch eröffnet eine Reihe von zehn Veranstaltungen des landesweiten Projekts "Mundart in der Schule" im Landkreis Rottweil, die von der Stiftung zur Jugendförderung der Kreissparkasse ermöglicht werden.
53 Schüler aus den Klassen 5 bis 9 lauschten den lebhaften Ausführungen des Dialektforschers, der seine Geschichten über Sprache, Land und Leute geschickt mit dem Erfahrungshorizont seiner multikulturellen Zuhörerschaft verband.
Schon der Einstieg mit dem schwäbischen Comicstrip "A Dag en dr Schuel" brach bei den dem Mundartthema zunächst noch etwas skeptisch gegenüberstehenden Kindern und Jugendlichen sogleich das Eis: im Chor rezitierten alle, wie der Comic-Held "naisaut, nahoggt, eischloft, uffgweckt wird, veschbert, weidertrialt, nix woiß, verseggelt wird, sich nix draus macht ond am End wieder hoimgoht". Keine Frage, dass die – nur bei wenigen Wörtern notwendige – Übersetzung ins Hochdeutsche auch Nicht-Schwaben zum Schmunzeln anregte.
Anhand von Kartenmaterial über die verschiedenen Mundarten in Baden-Württemberg, wo neben schwäbisch ja auch alemannisch und fränkisch gesprochen wird, demonstrierte Wolfgang Wulz danach die Vielfalt der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten im Dialekt: allein für die Kartoffel gibt es im Südwesten 15 verschiedene Begriffe.
Abwechslungsreich und unterhaltsam ist im Schwäbischen auch das gegenseitige Necken, für die der Heidenheimer "Knöpfleswäscher", Autor mehrerer Bücher über "Ortnecknamen", berufener Experte ist. Er freute sich besonders, dass einige Schüler sogar noch den Zimmerner Spitznamen "Lattestrecker" kannten, der damit erklärt wird, dass vor Urzeiten einige Altvordere mit Hilfe zweier angespannter Ackergäule eine Holzlatte verlängern wollten, um so den Mond vom Himmel holen zu können.
Mit einer von herzhaftem Gelächter der Klasse begleiteten Spielszene über die "Döffinger Rübemoschter" kam Wulz dann zum weihnachtlichen Teil seines Vortrags. Den frisch gezapften Most hatte der Opa nämlich mit zu vielen Zuckerrüben veredelt, wodurch der Heilige Abend in der sonst braven Familie zu einer Rauschorgie ausartete und die fromme Oma schier zur Verzweiflung trieb.
Bei Kerzenschein ging die schwäbische Stunde mit Theodor Storms "Knecht Ruprecht" im Original und in der schwäbischen Fassung von Edi Graf weiter.
Begleitet vom Bösinger Liedermacher Pius Jauch auf der Gitarre sangen die Schüler aus vollen Kehlen eine Mundartversion von "Morgen Kinder wird’s was geben", zwei schwäbische Muttersprachler wagten sich sogar auf die Bühne und trugen Doris Oswalds Gedicht "Sprengerle ond Zimmetstern" vor.
Mit seiner Geschichte "Das Brenztaler Chrischtkendle" aus dem druckfrischen Buch "Schwäbische Bescherung" verabschiedete sich Wolfgang Wulz aus der fröhlichen Runde der Schüler, die sich diese Zugabe über den Schulgong hinaus per Abstimmung mit großer Mehrheit gewünscht hatte.
Der Arbeitskreis Mundart in der Schule besteht seit 2003. Mit landesweit 68 Veranstaltungen hat das von den Mundartvereinigungen "schwäbische mund.art e.V." und "Muettersproch-Gsellschaft e.V." initiierte Projekt im Jahr 2014 wieder einen neuen Höchststand erzielt. Insgesamt wurden seit Beginn der Aktion in Baden-Württemberg 460 Begegnungen mit rund 9500 Schülern sowie drei Mundartwettbewerbe in den Schulen organisiert.
Damit ist der Arbeitskreis Mundart in der Schule auf einem guten Weg, sein Ziel, die im Land beheimateten Mundarten Alemannisch, Fränkisch und Schwäbisch bei den Schülern als wertvolles Spracherbe und Kulturgut nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und es auch als interessanten Gegenstand von Unterricht und Projekten zu erkennen.
Alle interessierten Lehrer – besonders im Landkreis Rottweil – sind eingeladen, sich im noch laufenden Schuljahr um eine der Begegnungen, die vom AK Mundart in der Schule bezahlt werden, zu bewerben. Die Mineralquelle Silber Brunnen unterstützt die Aktion mit kleinen Geschenken.
Weitere Informationen: www.mundart-in-der-schule.de
Beratung und Information: schule@mund-art.de
Stuttgarter Zeitung, 2.4.2012
Beim Lob "beschde Sau" schimpft die Frau
Schwarzwälder-Bote, 17.05.2012
Von Knöpfleswäschern und vielem mehr
Wolfgang Wulz referiert bei der Muettersproch-Gsellschaft
Villingen-Schwenningen (kal). "Spitznamen geben ist eine Spezialität der Schwaben". Wie solche Namen entstanden sind, die sich teilweise hartnäckig festgesetzt haben, konnten die Besucher im Theater am Turm erfahren. Die Muettersprochgruppe "A Brig un Breg" hatte zu einem heiteren Abend mit dem "Knöpfleswäscher" Wolfgang Wulz eingeladen, der seine Zuhörer fast zwei Stunden lang in breitem Schwäbisch unterhielt und die Hintergründe der entstanden Neck- und Spottnamen erläuterte.
Um "G’schichte verzeahle" sei er gerne nach Villingen gekommen, denn hier sei der Mittelpunkt für die schwäbische-alemannische Zusammenarbeit. Gleich zu Beginn erfuhren die Zuhörer, warum die Bürger aus Heidenheim an der Brenz auch die "Knöpfleswäscher" genannt werden. Dort habe sich Folgendes zugetragen: Eine fleißige Hausfrau kochte das Mittagessen für ihren Ehemann, der außerhalb tätig war und auf die Mahlzeit wartete. Es gab Knöpfle und Kraut. Die Hausfrau war spät dran und ausgerechnet lief ihr auf dem Weg auch noch ein Hund zwischen die Beine. Sie stolperte, die Knöpfle kullerten auf die Straße. Schwäbischer Fleiß und schwäbische Sparsamkeit wurden hellwach. Die Frau sammelte rasch die Knöpfle auf, eilte zum nahen Bach und wusch sie ab. Der hungrige Ehemann soll nichts bemerkt haben, ihm sei nur aufgefallen, dass das Mittagessen etwas kalt war. Bei ihrer Reinigungsaktion aber wurde die Hausfrau von einem "Aalener Spion" beobachtet und fortan hießen die Heidenheimer "Knöpfleswäscher".
Viele solcher Geschichten hatte der Pädagoge und Buchautor Wolfgang Wulz parat, über die sein Publikum herzhaft lachen musste, zumal er sie äußerst lebendig vortrug, auch als es um den schwarzen Humor ging, der mit Leichen, Totenwächtern und Beerdigungen zu tun hatte. Ein beliebtes Thema sei die Dummheit der anderen, doch oftmals sei es fraglich, ob der, dem ein Missgeschick passiert sei, oder derjenige, der darüber lacht, der Dumme ist. In den Spitz- und Necknamen spiegeln sich die ganzen Facetten der schwäbischen Mentalität wider und das treffe auch auf alle anderen Regionen zu.
Von Knöpfleswäschern und vielem mehr
Wolfgang Wulz referiert bei der Muettersproch-Gsellschaft
Villingen-Schwenningen (kal). "Spitznamen geben ist eine Spezialität der Schwaben". Wie solche Namen entstanden sind, die sich teilweise hartnäckig festgesetzt haben, konnten die Besucher im Theater am Turm erfahren. Die Muettersprochgruppe "A Brig un Breg" hatte zu einem heiteren Abend mit dem "Knöpfleswäscher" Wolfgang Wulz eingeladen, der seine Zuhörer fast zwei Stunden lang in breitem Schwäbisch unterhielt und die Hintergründe der entstanden Neck- und Spottnamen erläuterte.
Um "G’schichte verzeahle" sei er gerne nach Villingen gekommen, denn hier sei der Mittelpunkt für die schwäbische-alemannische Zusammenarbeit. Gleich zu Beginn erfuhren die Zuhörer, warum die Bürger aus Heidenheim an der Brenz auch die "Knöpfleswäscher" genannt werden. Dort habe sich Folgendes zugetragen: Eine fleißige Hausfrau kochte das Mittagessen für ihren Ehemann, der außerhalb tätig war und auf die Mahlzeit wartete. Es gab Knöpfle und Kraut. Die Hausfrau war spät dran und ausgerechnet lief ihr auf dem Weg auch noch ein Hund zwischen die Beine. Sie stolperte, die Knöpfle kullerten auf die Straße. Schwäbischer Fleiß und schwäbische Sparsamkeit wurden hellwach. Die Frau sammelte rasch die Knöpfle auf, eilte zum nahen Bach und wusch sie ab. Der hungrige Ehemann soll nichts bemerkt haben, ihm sei nur aufgefallen, dass das Mittagessen etwas kalt war. Bei ihrer Reinigungsaktion aber wurde die Hausfrau von einem "Aalener Spion" beobachtet und fortan hießen die Heidenheimer "Knöpfleswäscher".
Viele solcher Geschichten hatte der Pädagoge und Buchautor Wolfgang Wulz parat, über die sein Publikum herzhaft lachen musste, zumal er sie äußerst lebendig vortrug, auch als es um den schwarzen Humor ging, der mit Leichen, Totenwächtern und Beerdigungen zu tun hatte. Ein beliebtes Thema sei die Dummheit der anderen, doch oftmals sei es fraglich, ob der, dem ein Missgeschick passiert sei, oder derjenige, der darüber lacht, der Dumme ist. In den Spitz- und Necknamen spiegeln sich die ganzen Facetten der schwäbischen Mentalität wider und das treffe auch auf alle anderen Regionen zu.
Schwäbische Zeitung, 10.11.2011
Schüler schwätzen schwäbisch
Für den Arbeitskreis Mundart in der Schule im Oberland unterwegs
Warthausen.- Na, sagt Dr. Wolfgang Wulz, wie so ein typischer Schultag aussehe, müsste doch eigentlich jeder Viertklässler wissen. Wie der typische Schultag eines etwas faulen Schülers aussieht, wirft der Mundartkünstler gleich mal mit dem Overheadprojektor an die Wand. Und dann auch noch auf Schwäbisch. Für „Reigschmeckte“ kein leichtes Unterfangen, dem zu folgen. Die niedrigen Schultischkanten drücken an den Oberschenkeln, und auf den winzigen Holzstühlchen saß es sich als Neunjährige irgendwie auch gemütlicher.
Ohne langes Zögern startet der Mundartkurs auf Schwäbisch in der Sophie-La-Roche-Schule in Warthausen, und der schwäbische Schüler, der in Wulz‘ Geschichte alles etwas zu entspannt sieht, ist mit Verspätung in die Schule „neigsaud“, ist die Treppe „nuffgloffe“, hat sich „neighoggd“, ist im Unterricht prompt „aigschlofe“, vom Lehrer „gweggd worde und hat nix gwissd“, ist dafür „verseggeld worde“, hat sich aber „nix draus gmachd“, hat „eipaggd“ und ist „hoimgange“.
Der Mundartkurs scheint doch nicht so schwer wie erwartet zu werden, aber die unterschiedlichen Färbungen der schwäbischen Mundart, die Wulz dann auspackt, haben es in sich. Als Zugezogener aus dem Norden gibt man spätestens beim Heidenheimer Dialekt auf.
Den Kindern bereitet das keine Probleme. Sie haben Spaß, verstehen alles, können die breit g‘schwätzte Heidenheimer Geschichte über die „Knöpfleswäscher“ ins Hochdeutsche übersetzen, obwohl alle beteuern, dass sie in der Familie nur Hochdeutsch sprechen. Schwäbisch, das würden sie zu Hause nicht sprechen. Trotzdem beherrschen sie es. Tilmann (9) zuckt die Schultern. „Ich kann es eben“, sagt er schlicht. Ähnlich ist es bei Charlotte und den Freundinnen Leonie und Leonie. „Wir verstehen das, weil wir in der Schule Blätter über das Schwäbische ausgeteilt bekommen“, erklärt eine der beiden Leonies großzügig.
Damit die Mundart nicht vergessen wird, besucht Wolfgang Wulz vom Arbeitskreis „Mundart in der Schule“ Schulen in der Region. Seine farbige Landkarte zeigt, wo Schwäbisch gesprochen wird, wo Alemannisch und wo Fränkisch. Es gibt noch Abstufungen, so wie Süd-Mittelschwäbisch, das in Biberach gesprochen wird. In den Abstufungen wird die „Kardoffel“ auch schon mal zu „Erdapfel“, „E(r)biira“, „Erdnuss“ oder in Biberach zur „Grumbiira“.
Helen Walter
Badische Zeitung, 16.4.2011
Stunde mit dem "Knöpfles-Wäscher"
Der Mundartautor Wolfgang Wulz erteilte Neuntklässlern am Gymnasium humorvoll eine Lektion in Schwäbisch
SCHOPFHEIM. Aigschlofe, wie es im Schwäbischen heißt, ist gestern in der Klasse 9c keiner. Im Gegenteil: Wolfgang Wulz, überzeugter Schwabe, weckte das Interesse der Schülerinnen und Schüler für die Mundart. Seine Spezialität sind schwäbische Neckereien und Spitznamen. Als gebürtiger Heidenheimer nennt sich Wolfgang Wulz den "Knöpfles-Wäscher". Knöpfle sind in diesem Fall Knödel. Selbige fielen einer Frau auf dem Weg zu ihrem Mann, der in der Fabrik schaffte, bei einem Sturz aus dem Korb und wurden schmutzig. Statt sie nun wegzuwerfen, wusch sie die Knöpfle im Dorfbrunnen akkurat ab. Der Mann schöpfte keinen Verdacht, aß die Knödel, fand sie nur ein wenig kalt … Deshalb, so Wolfgang Wulz, werden die Heidenheimer die Knöpfles-Wäscher genannt. Knödel seien das Leib- und Magengericht in Heidenheim.
Seinen Besuch am Theodor-Heuss-Gymnasium hatte Markus Manfred Jung, Klassenlehrer der 9c, organisiert. Beide Autoren kennen sich über den Arbeitskreis "Mundart in der Schule", ins Leben gerufen von der Muettersproch-Gsellschaft (alemannisch) und dem Verein "schwäbische mund.art".
Werbung
Das Schwäbische ist dem Alemannischen in vielen Begriffen verwandt, was Wolfgang Wulz, Studiendirektor für Deutsch und Geschichte am Goldberg-Gymnasium Sindelfingen, am Beispiel "schwäbischer Schulalltag" veranschaulichte. Da kommen die Schüler ins Klassenzimmer "naigsaut" (alemannisch ine grennt oder auch ine gsäcklet), haben sich neighoggd (ane ghockt) oder sind einfach aigschlofe (igschlofe). Ganz nebenbei erfuhr die Klasse, dass Baden-Württemberg in drei Mundartregionen eingeteilt ist: Fränkisch, Alemannisch, Schwäbisch. Den reinen Dialekt gibt es nicht, er kann viele Unterformen haben, sich sogar von Nachbarort zu Nachbarort unterscheiden. Für die Kartoffel gebe es etliche Varianten in Mundart, die von der gängigen Bezeichnung Chrumbiere, über Herdöpfel bis hin zur Erdnuss reiche.
Wolfgang Wulz ist auf der Suche nach Necknamen den alten Dorfgeschichten gefolgt. Er fand nicht nur humorvolle Anekdoten, sondern stellte auch fest, dass sich hinter vielen Spitznamen auch die schwäbische Mentalität erkennen lässt. Beispielsweise bei den "Froschableckern" von Breitenholz. Als einem armen Bauern ein Frosch in die Flädlesuppe hüpfte, die ihm seine Frau gebracht hatte, zog der Mann den Frosch beherzt aus der Suppe und schleckte ihn ab, um nichts von der Suppe zu vergeuden. Ist das der sprichwörtliche Geiz des Schwaben? Mitnichten. Wolfgang Wulz erkennt darin die Sparsamkeit des Schwaben. Denn: Geizig seien die Reichen, die viel haben, aber nichts abgeben wollen; sparsam die Armen, die nichts haben und es sich nicht leisten können, das bisschen, das sie haben, zu verlieren.
Schüler schwätzen schwäbisch
Für den Arbeitskreis Mundart in der Schule im Oberland unterwegs
Warthausen.- Na, sagt Dr. Wolfgang Wulz, wie so ein typischer Schultag aussehe, müsste doch eigentlich jeder Viertklässler wissen. Wie der typische Schultag eines etwas faulen Schülers aussieht, wirft der Mundartkünstler gleich mal mit dem Overheadprojektor an die Wand. Und dann auch noch auf Schwäbisch. Für „Reigschmeckte“ kein leichtes Unterfangen, dem zu folgen. Die niedrigen Schultischkanten drücken an den Oberschenkeln, und auf den winzigen Holzstühlchen saß es sich als Neunjährige irgendwie auch gemütlicher.
Ohne langes Zögern startet der Mundartkurs auf Schwäbisch in der Sophie-La-Roche-Schule in Warthausen, und der schwäbische Schüler, der in Wulz‘ Geschichte alles etwas zu entspannt sieht, ist mit Verspätung in die Schule „neigsaud“, ist die Treppe „nuffgloffe“, hat sich „neighoggd“, ist im Unterricht prompt „aigschlofe“, vom Lehrer „gweggd worde und hat nix gwissd“, ist dafür „verseggeld worde“, hat sich aber „nix draus gmachd“, hat „eipaggd“ und ist „hoimgange“.
Der Mundartkurs scheint doch nicht so schwer wie erwartet zu werden, aber die unterschiedlichen Färbungen der schwäbischen Mundart, die Wulz dann auspackt, haben es in sich. Als Zugezogener aus dem Norden gibt man spätestens beim Heidenheimer Dialekt auf.
Den Kindern bereitet das keine Probleme. Sie haben Spaß, verstehen alles, können die breit g‘schwätzte Heidenheimer Geschichte über die „Knöpfleswäscher“ ins Hochdeutsche übersetzen, obwohl alle beteuern, dass sie in der Familie nur Hochdeutsch sprechen. Schwäbisch, das würden sie zu Hause nicht sprechen. Trotzdem beherrschen sie es. Tilmann (9) zuckt die Schultern. „Ich kann es eben“, sagt er schlicht. Ähnlich ist es bei Charlotte und den Freundinnen Leonie und Leonie. „Wir verstehen das, weil wir in der Schule Blätter über das Schwäbische ausgeteilt bekommen“, erklärt eine der beiden Leonies großzügig.
Damit die Mundart nicht vergessen wird, besucht Wolfgang Wulz vom Arbeitskreis „Mundart in der Schule“ Schulen in der Region. Seine farbige Landkarte zeigt, wo Schwäbisch gesprochen wird, wo Alemannisch und wo Fränkisch. Es gibt noch Abstufungen, so wie Süd-Mittelschwäbisch, das in Biberach gesprochen wird. In den Abstufungen wird die „Kardoffel“ auch schon mal zu „Erdapfel“, „E(r)biira“, „Erdnuss“ oder in Biberach zur „Grumbiira“.
Helen Walter
Badische Zeitung, 16.4.2011
Stunde mit dem "Knöpfles-Wäscher"
Der Mundartautor Wolfgang Wulz erteilte Neuntklässlern am Gymnasium humorvoll eine Lektion in Schwäbisch
SCHOPFHEIM. Aigschlofe, wie es im Schwäbischen heißt, ist gestern in der Klasse 9c keiner. Im Gegenteil: Wolfgang Wulz, überzeugter Schwabe, weckte das Interesse der Schülerinnen und Schüler für die Mundart. Seine Spezialität sind schwäbische Neckereien und Spitznamen. Als gebürtiger Heidenheimer nennt sich Wolfgang Wulz den "Knöpfles-Wäscher". Knöpfle sind in diesem Fall Knödel. Selbige fielen einer Frau auf dem Weg zu ihrem Mann, der in der Fabrik schaffte, bei einem Sturz aus dem Korb und wurden schmutzig. Statt sie nun wegzuwerfen, wusch sie die Knöpfle im Dorfbrunnen akkurat ab. Der Mann schöpfte keinen Verdacht, aß die Knödel, fand sie nur ein wenig kalt … Deshalb, so Wolfgang Wulz, werden die Heidenheimer die Knöpfles-Wäscher genannt. Knödel seien das Leib- und Magengericht in Heidenheim.
Seinen Besuch am Theodor-Heuss-Gymnasium hatte Markus Manfred Jung, Klassenlehrer der 9c, organisiert. Beide Autoren kennen sich über den Arbeitskreis "Mundart in der Schule", ins Leben gerufen von der Muettersproch-Gsellschaft (alemannisch) und dem Verein "schwäbische mund.art".
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Das Schwäbische ist dem Alemannischen in vielen Begriffen verwandt, was Wolfgang Wulz, Studiendirektor für Deutsch und Geschichte am Goldberg-Gymnasium Sindelfingen, am Beispiel "schwäbischer Schulalltag" veranschaulichte. Da kommen die Schüler ins Klassenzimmer "naigsaut" (alemannisch ine grennt oder auch ine gsäcklet), haben sich neighoggd (ane ghockt) oder sind einfach aigschlofe (igschlofe). Ganz nebenbei erfuhr die Klasse, dass Baden-Württemberg in drei Mundartregionen eingeteilt ist: Fränkisch, Alemannisch, Schwäbisch. Den reinen Dialekt gibt es nicht, er kann viele Unterformen haben, sich sogar von Nachbarort zu Nachbarort unterscheiden. Für die Kartoffel gebe es etliche Varianten in Mundart, die von der gängigen Bezeichnung Chrumbiere, über Herdöpfel bis hin zur Erdnuss reiche.
Wolfgang Wulz ist auf der Suche nach Necknamen den alten Dorfgeschichten gefolgt. Er fand nicht nur humorvolle Anekdoten, sondern stellte auch fest, dass sich hinter vielen Spitznamen auch die schwäbische Mentalität erkennen lässt. Beispielsweise bei den "Froschableckern" von Breitenholz. Als einem armen Bauern ein Frosch in die Flädlesuppe hüpfte, die ihm seine Frau gebracht hatte, zog der Mann den Frosch beherzt aus der Suppe und schleckte ihn ab, um nichts von der Suppe zu vergeuden. Ist das der sprichwörtliche Geiz des Schwaben? Mitnichten. Wolfgang Wulz erkennt darin die Sparsamkeit des Schwaben. Denn: Geizig seien die Reichen, die viel haben, aber nichts abgeben wollen; sparsam die Armen, die nichts haben und es sich nicht leisten können, das bisschen, das sie haben, zu verlieren.
Markus Manfred Jung hatte die Schüler gebeten, selbst einmal zu ergründen, ob es Spitznamen für Orte in der hiesigen Region gibt. Ein Schüler fand heraus, dass Zeller "Schießhäfe" genannt werden, wenn er auch den Grund nicht kenne; Gersbacher werden Wölfe genannt. Vielleicht, weil sie so wild seien, vermutet der Schüler. Zum Schluss gab’s noch einen Sprachtest: "Schwäbisch für Rei’gschmeckte". Kein leichtes Teil. Schwäbische Begriffe galt es, ins Alemannische zu übersetzen. Bei 25 Fehlern und mehr heißt es: Ausweisung aus dem Ländle.
Marlies Jung-Knoblich
Marlies Jung-Knoblich